Ernährung und Immunsystem

Allgemein führt eine gesunde Ernährung auch zu einem gesunden und widerstandsfähigen Körper. Wenn keine Vorerkrankungen schwächen und der Körper gut mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt ist, kann das Immunsystem mit hoher Leistungsfähigkeit Infekte abwehren. Vielleicht schützen uns schon seit jeher pflanzliche Inhaltsstoffe so gut, dass eine Infektion in der Regel nicht so schwer, sondern weitgehend erträglich verläuft.

Da der Mensch in seiner Zeit als Jäger und Sammler gut die 2-3-fache Menge an pflanzlichen Inhaltsstoffen über Wildpflanzen aufgenommen hat, als der Durchschnitt heute zu sich nimmt, konnte er damals mit einem viel leistungsfähigerem Immunsystem viele Infektionen mit nur milden Krankheitsverläufen überstehen. Die Gene aus der Zeit der Jäger und Sammler haben sich bis heute kaum geändert, nur wir haben uns eine Welt geschaffen, die in vielen Bereichen nicht mehr artgerecht zu uns passt.

Ernährung und ImmunsystemQuelle: Frontiers in Public Health (2020),8: 476.,"Importance of Dietary Changes During the Coronavirus Pandemic: How to Upgrade Your Immune Response", A. Chaari et al.

Antioxidantien und Widerstandskraft

Unser Körper ist ständig oxidativen Reaktionen ausgesetzt und er muss sie mit Antioxidantien bremsen, um Schäden zu vermeiden. Einen Teil der Antioxidantien produziert der Körper selbst, einen anderen Teil nehmen wir über die Nahrung zu uns. Es gibt sehr viele verschiedene Stoffe, die in Pflanzen als Schutzstoffe vorkommen und auch uns als Antioxidantien nützen. Viele denken bei dem Wort Antioxidantien zunächst nur an Vitamin C und an Brausetabletten als Nahrungsergänzung. Einzelsubstanzen helfen aber dem Körper oft wenig, außer es liegt ein spezifischer Mangel auf ein bestimmtes Vitamin vor. Im Körper funktioniert antioxidative Abwehr als weit verzweigtes Netzwerk mit verschiedenen antioxidativen Substanzen, die miteinander interagieren und sich auch teils einander regenerieren. Wenn an einer Stelle eine Einzelsubstanz in hoher Menge supplementiert wird, kann oft dadurch die antioxidative Leistung nicht wesentlich gesteigert werden, da bei den nachfolgenden und anderen beteiligten Stoffwechselschritten ein begrenzender Mangel entsteht. Deshalb wirken komplexe Mischungen aus den Pflanzen in der Regel am besten. Antioxidantien sind wichtige Gegenspieler chronischer Entzündungen, die mit dem Alter oft immer mehr zunehmen (Inflammaging). Gerade diese chronischen Entzündungen beeinflussen die Physiologie negativ und im Falle einer Infektion, mit zusätzlichen Entzündungsreaktionen, kann es leichter zu einen schweren Verlauf kommen.

Polyphenole - starke Antioxidantien mit oft antiviraler Wirkung

Besonders interessant ist Nahrung mit einem hohen Gehalt an polyphenolischen Inhaltsstoffen. Polyphenole haben meist die stärksten antioxidativen Wirkungen und zugleich haben sie noch zusätzlich weitere spezielle gesundheitsfördernde Wirkungen. Es gibt auch viele Experimente, die antivirale Eigenschaften dieser Stoffe nachweisen konnten. Zwar gibt es kaum Versuche mit Coronaviren aber oft hat sich eine eher breite unspezifische Wirkung gegen Viren gezeigt und es besteht die Chance, dass es auch eine Wirkung gegen Coronaviren gibt.

Leider sind die meisten Versuche bisher nur mit Zellkulturen durchgeführt worden und es gibt im in-vivo-System noch viele Einflussfaktoren, die eine Wirkung reduzieren oder verhindern können. Auf alle Fälle kann die antioxidative Wirkung Entzündungen in Schach halten, damit sie nicht ein zu zerstörerisches Ausmaß annehmen. Vielleicht hilft es auch, die ausufernde Entzündung, die beim schweren Krankheitsverlauf von Coronavirus Covid-19 ausgelöst wird, etwas zu bremsen und begrenzen und so eine tödlich endende Lungenentzündung zu vermeiden.

Protease- / Antiprotease Gleichgewicht auf Epithelien

Auf der Oberflächenschicht (Epithel) des Atemtraktes befinden sich ca. 40 verschiedene Zelltypen, darunter sehr viele Zellen des Immunsystems (Makrophagen, B-Zellen, T-Zellen u.a.). Damit sie gut zusammenarbeiten ist ein koordiniertes Vorgehen wichtig. Die Steuerung und Aktivierung der Immunzellen erfolgt durch Signale, die von Rezeptorproteinen vermittelt werden. Proteasen und Antiproteasen sind dabei ein wichtiges System zur Steuerung der Immunreaktion und werden von vielen Faktoren, unter anderem auch den Versorgungsgrad mit Antioxidantien über unsere Ernährung, beeinflusst. Proteasen sind Schlüsselkomponenten bei der Abwehr im Atemtrakt. Gesteigerte „Netto-Protease“-Aktivität führt zur Lungenzerstörung. Antiproteasen hemmen Proteasen und modifizieren so die Immunantwort, indem sie Entzündungskaskaden begrenzen. Beispielsweise ist von dem Antioxidant EGCG (epigallocatechin-3-xxgallat, ein Polyphenol) aus grünem Tee bekannt, dass es so die Abwehr unterstützt. Oder auch Isothiocyanate wie Sulphorophane (z.B. in Brokkoli) greifen steuernd so ein, dass die Widerstandskraft in den Atemwegen gesteigert wird, indem oxidativer Stress und Entzündungen begrenzt werden und nicht zu zerstörerisch werden. Die Experimente wurden mit Influenzaviren durchgeführt.

Vitamine und Leistungsfähigkeit des Immunsystems

Damit das Immunsystem gut arbeiten kann ist besonders eine gute Versorgung mit einigen Vitaminen und Spurennährstoffen wichtig. Dabei ist zu beachten, dass es einen Optimalbereich gibt. Ein Zuviel wirkt genauso schädlich wie ein zu wenig. Über die Nahrungsaufnahme kann man nur in seltenen Fällen eine Überdosierung erreichen. Bei Nahrungsergänzungsmittel muss dagegen aufgepasst werden und ein optimaler Spiegel wird zur Sicherheit in Abstimmung mit einem entsprechend spezialisierten Arzt eingestellt.

Vitamin A

Dieses Vitamin ist besonders wichtig für eine gut funktionierende äußere Barriere (Haut, Schleimhäute). Weiter ist es auch wichtig für die Entwicklung von Immunzellen mit entzündungshemmenden Eigenschaften, wie M2-Macrophagen und regulatorische T-Zellen. Sie sind nötig um eine Entzündung auch wieder begrenzen zu können. Vitamin A wird in der Regel mit über seine Vorstufe ß-Carotin mit der Nahrung aufgenommen und im Körper zum Vitamin A umgewandelt. Nahrung mit viel Vitamin A: Karotten, Grünkohl, Wirsing, Feldsalat, rote Paprika, Crapefruit.

Vitamin E

Dieses Vitamin hat zwei Hauptaufgaben: Zum einen ist es zentral bei der Abwehr freier Radikale beteiligt, die unsere Zellen schädigen. Das ist besonders wichtig bei verschmutzter Luft (Smog im Winter) oder bei Rauchern, um Schäden an den Atemwegen zu begrenzen. Eine Vorschädigung begünstigt Infekte. Bereits zu Zeiten von SARS (2003) konnte ein deutlicher Zusammenhang festgestellt werden: In Regionen bzw. Städten mit starker Luftverschmutzung kam es zu mehr und schwereren Infektionsverläufen. Weiter aktiviert Vitamin E auch die Killerzellen der Immunabwehr, für eine effiziente Reaktion auf Infektionen. Nahrung mit viel Vitamin E: Obst und Gemüse, Pflanzenöle (Weizenkeimöl, Sonnenblumenöl, Maiskeimöl)

Vitamin D

In unseren sonnenarmen Monaten, und genau zu den jährlich auftretenden Erkältungswellen, hat unser Vitamin-D-Spiegel meist suboptimal niedrige Werte. Vitamin D spielt bei vielen Immunreaktionen eine wichtige Rolle, z.B. bei der Differenzierung von Monocyten zu Macrophagen (sie fressen beschädigte oder befallene Zellen auf). Es konnte gezeigt werden, dass mit Vitamin D Ergänzungen die Infektionen einen besseren Verlauf hatten. Im Durchschnitt wird etwa 80 % des Vitamin D vom Körper selbst unter Einfluss der Sonne produziert, nur etwa 20 % wird über die Nahrung aufgenommen. In den sonnenarmen Monaten im Winter können deshalb Vitamin-D-Präparate sinnvoll sein, da es sonst bei dem stark reduzierten Sonnenanteil sehr schwer ist allein über die Nahrung den Bedarf zu decken. Nahrung mit viel Vitamin D: Fisch (vor allem fettreicher Fisch wie Lachs), Avocado, Käse, Eier, Milch, Haferflocken.
Mittlerweile hat sich gezeigt, dass Vitamin D Unterversorgung ein starker Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf von Covid-19 ist. Deshalb wird dieses Vitamin in einem extra Kapitel ausführlicherer dargestellt.

Inhaltsstoffe und Abwehrkraft
Quelle: Journal of Clinical Medicine (2020), Aug; 9(8): 2589.,"Key Aspects in Nutritional Management of COVID-19 Patients", Alfredo Fernández-Quintela et al.

Spurenelement Zink

Der Mikronährstoff ist ein wichtiger Bestandteil für den Abwehrstoffwechsel, damit das Immunsystem effizient Antikörper bilden kann. Für die intrazellulären Signalwege des angeborenen und erworbenen Immunsystem ist Zink sehr wichtig. Das richtige Zink-Gleichgewicht (Zink Homeostase) ist aber auch sehr wichtig für eine passende Immun- und Entzündungsreaktion, vor allem als Schutzfaktor gegen eine überschießende Entzündungsreaktion. Das zinkhaltige Transportprotein ZIP8 ist wichtig für den Zellschutz bei Entzündungen. Bei einem Zinkmangel verschlechtern sich chronische Entzündungsreaktionen und der oxidative Stress ist erhöht. Vor allem bei älteren Personen kann oft ein Zinkmangel festgestellt werden. Untersuchungen zeigten, dass ca. 30 % von Mangel betroffen sind. Auch Vegetarier können betroffen sein, da in vielen pflanzlichen Nahrungsmitteln hohe Gehalte an Inhaltsstoffen enthalten sind, welche Zink chelatieren und die Aufnahme bzw. Bioverfügbarkeit verschlechtern. Nahrung mit viel Zink: Weizenkleie, Rindfleisch, Käse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Kürbiskerne.

Spurenelement Selen

Das Spurenelement ist bei vielen physiologischen Prozessen, u.a. der Immunantwort, ein wichtiger Faktor. Der Mensch hat einige Seleniumproteine mit einer größeren Bedeutung im Stoffwechsel. Bei Seleniummangel kann das angeborene und erworbene Immunsystem nicht gut arbeiten. Es wurde gezeigt, dass mit Nahrungsergänzung u.a. die Infektabwehr verbessert werden konnte, wenn ein Mangel vorlag. Ein Mangel betrifft vor allem die angeborene unspezifische Abwehr, die bei unbekannten Infektionen für die ersten Abwehrmaßnahmen sorgt. Der Seleniumgehalt der Nahrung wird vom Gehalt im Boden bzw. der Aufnahme über die Wurzel bestimmt. In vielen Ländern sind die Gehalte eher gering und die Versorgung der Menschen nicht optimal. Seleniumarme Böden gibt es häufig in China, Teilen Europas, Neuseeland und Russland. Nahrung mit viel Selen: Fisch, Hülsenfrüchte (Sojabohne, Bohnen, Linsen u.a.), Kokosnuss, Paranuss, Haferflocken, Naturreis, Huhn.

Fazit zur Ernährung und Abwehrkraft

Es gibt viele Möglichkeiten, das Immunsystem fit zu halten oder negativ zu beeinflussen. Die zuvor besprochenen Faktoren bieten einen kleinen Einblick in ein komplexes Themenfeld mit zahlreichen Möglichkeiten. Um die Ernährung optimal zu gestalten, macht es Sinn, die Nährwerttabellen zu studieren und evtl. auf das Fachwissen von Ernährungsberatern zu setzen. Im Alltag ist es nicht immer einfach, alles optimal zu gestalten. Mit kleinen Schritten kann man über Jahre hinweg seine Gewohnheiten zum Positiven verändern. Während der junge Körper noch viele Sünden tolerieren kann, wird es gerade mit fortgeschrittenem Alter immer wichtiger, auf diese Faktoren zu achten. Von Natur aus gegeben wäre uns ein Körper, der ca. 120 Jahre alt und dabei noch relativ gesund bleiben könnte. Aber das ist viel harte Arbeit und Disziplin. In unserer modernen Zivilisation ist es oft nicht einfach, einen ungesunden Lebensstil zu vermeiden. Versuchen Sie es trotzdem so gut wie möglich und eine gute Lebensqualität belohnt die Bemühungen.

Abwehrkraft und ErnährungQuelle: Frontiers in Public Health (2020),8: 476.,"Importance of Dietary Changes During the Coronavirus Pandemic: How to Upgrade Your Immune Response", A. Chaari et al.

Literatur "Ernährung und Immunsystem"

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[15] Can N-3 polyunsaturated fatty acids be considered a potential adjuvant therapy for COVID-19-associated cardiovascular complications?, Pharmacology Therapeutics, 5 October 2020, 107703

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